Die ersten Erfahrungen mit Skandinavien sammeln wir auf dem Weg in den hohen Norden, bei der Fahrt durch Schweden. Dazu gehören auch einige gänzlich neue...
55º - „Welcome to Sweden“
Nach der Besichtigung von Kopenhagen müssen wir von Dänemark her über’s Wasser um nach Schweden zu kommen. Auf der E20 geht’s zur Öresundbrücke. 7845 Meter ist sie lang, die weltweit längste Schrägseilbrücke. Jaja, wir wissen, die kostet etwas an Maut, machen uns weiter keine Gedanken, und befahren das imposante Bauwerk. Weit unter uns schillern die Wellen, es fühlt sich
An der Maut-Station auf schwedischem Boden begrüsst uns freundlich ein junger blonder Mann und nennt uns den Preis für diese Überfahrt: 125. Ich entgegne etwas perplex: „Äh, ok, wieviel macht das dann in Euro?“ Mit amüsiert wissendem Blick erwidert er: „Euro, 125 Euro wären das, bitte sehr.“ und schenkt uns ein entwaffnendes Lächeln. Sprachlos zücke ich die Kreditkarte. Er fragt, ob wir das erste Mal sein Land bereisen. Ich bejahe, er erwidert:
„Willkommen in Schweden, und gute Reise!“
56º, 57º, 58º ...
Unsere erste Nacht verbringen wir bei André, einem guten Freund von mir, und seiner Familie. Sie sind mit Wohnwagen an der Südwestküste im Urlaub. Am nächsten Morgen verlassen wir die Küste. Vor uns liegen rund 2280 km längs durch dieses Land, vom südlichen zum nördlichen Ende, wir werden sie in 10 Tagen zurück legen.
Anfänglich beschäftigten mich einer Serie von technischen Komplikationen: Kompressor „tot“ wegen durchgebrannter Sicherung, Heizung schwach weil Motorkühlflüssigkeit fehlt, Geräte die spucken und Elektronik die streikt… 2,3 Tage lang sind täglich mehr Defekte oder Mängel solcherlei hinzu gekommen als ich vorzu beheben konnte. Eine gewisse nervliche Belastung, wenn auch keines der Probleme wirklich gravierend war. Mit der Zeit liess sich das Meiste lösen, und was nicht behoben werden konnte hat zumindest unsere Weiterreise nicht massgeblich behindert - und so ist es netterweise bis heute geblieben.
59º - 65º - der weite Weg hoch
Nach den ersten Reisetagen haben wir unseren Flow, unsere Routinen wieder gefunden: Meist erledigen wir morgens Administratives, Unterhalt, Technisches, und nachmittags, in den Abend hinein, machen wir Strecke.
Gute Strassen in weiter, flacher bis leicht hügeliger Landschaft durch dünn besiedelte Gebiete erlauben ein flüssiges Vorankommen, mit Tempo 80 bis 100 kmh über Stunden hinweg. Perfekte Bedingungen also um grosse Distanzen komfortabel zurück zu legen, ganz in unserem Sinne: Auch wenn wir gerne etwas davon mitbekommen, Schweden ist nicht unser Fokus, wir sind hier mehr auf Durchreise.
Es ist viel milder als erwartet, schön, grün, lieblich. Wälder aus Nadelgehölz und Birken säumen endlos unsere Route. Und natürlich diese unzähligen Seen, überall, wirklich sehr, sehr viele… Die roten Häuser, die freundlichen Leute und die unfreundlichen Moskitos… Alles da, um dem Klischee von Schweden zu entsprechen.
Meist finden wir abseits der Strasse an einem von denen Seen einen schönen, ruhigen Fleck für die Übernachtung. Man darf in diesem Land so gut wie überall mit Wohnmobil stehen, und Platz hat’s mehr als genug! Auch entlang der Küste des Bottnischen Golfes, dem wir 2 Tage / 3 Nächte folgen.
66º!
Ab da, landeinwärts, konsequent nördlich, wird’s langsam rauher, wir kommen hinein nach Schwedisch-Lappland, in ein länderübergreifendes riesiges Siedlungsgebiet der Urbevölkerung Samen. Passend dazu sichten wir die ersten Rentiere. Unbekümmert spazieren sie den Strassen entlang und durch Vorgärten.
Und gegen Abend des 7. Tages unserer Schwedenreise, kurz vor dem Ort Jokkmokk, verleitet uns ein auffälliger, grosser Rastplatz zu einem Stopp: Hier steht’s, wir sind im Begriff den Polarkreis zu überfahren: die südlichste Breite, auf der zur Sommersonnenwende am 21. Juni die Sonne nachts nicht mehr unter den Horizont sinkt. Ab jetzt sind wir in der Arktis!
21:30, und es ist taghell! Schon seit einer Weile (dem 55. Breitengrad) bin ich dem Nordpol näher als je zuvor in meinem Leben. Jetzt kommen wir in Gebiete oberhalb des 66. Ein weiteres Phänomen verstärkt die Faszination an diesem Teil der Welt: Je höher wir gekommen sind war es von Tag zu Tag deutlich länger hell. Und jetzt wird es in der Nacht nicht mehr dunkel: Hell-Dämmerung-hell… Für die nächsten zwei Wochen wird das noch ausgeprägter. Tageslicht rund um die Uhr, unglaublich! Auch etwas verstörend: Der Tagesrhythmus kommt durcheinander, das Zeitgefühl geht verloren. Aber auch: Befreit von der Dunkelheit der Nacht ist alles jederzeit möglich, Reisen wie auch Schlafen.
67º, 68º - arktisch
Im obersten Drittel von Schweden gibt es nur noch wenige Strassen. Eine Hauptverbindung, vereinzelte Abzweiger hinaus ins Nichts, in die Wildnis. Eine Sackgasse führt nordwestlich über 90 km in ein Naturschutzgebiet hinein, die Neugier verleitet uns zu einem Abstecher dahin. Wenn uns davor meist die Bäume in der Flachen Landschaft die Aussicht verwehrten, so lichtet sich der Wald, und gibt erstmals den Blick frei auf Gebirgszüge, und Schnee. Motiviert fahren wir bis zuhinterst, finden uns in einer Art Camp. Ein rudimentärer Campingplatz und Massenschläge, für verwegene Trekker, Hiker, Kayaker prägen den Charakter. Wir kommen mit dem jungen Besitzer der zugehörigen Lodge ins Gespräch. Die stilvolle Einrichtung zeugen von seinem Ursprung der Stockholmer Chikeria, der er hierher entflohen ist. Für das gediegene Dinner da sind uns aber die Preise zu extrem. Also legen wir noch den letzten Rest der Strasse zurück, bis zum Ende, am Wasser, und werden entlöhnt mit einem sagenhaften Ausblick für unsere erste Nacht so richtig in der Wildnis.
Für den Rest der Strecke bis an die finnische Grenze gibt es nur eine Verbindung. Wir hätten einerseits etwas Autobahn-artiges erwartet, ist aber mehr eine Landstrasse: angenehm. Dafür findet sich deutlich mehr Zivilisation als vermutet. Auch hier oben, immer noch: Orte, Tankstellen, Einkaufsmöglichkeiten… Einmal mehr überfahren wir eine Grenze unbeachtet und ungebremst (schon halb vergessen: Corona…). In Finnland die gleiche Natur wie seit dem Polarkreis, und fast noch mehr Infrastruktur als im Norden Schwedens. Wir durchfahren die kurze Strecke durch dieses Land non-stop, in Berücksichtigung der Einreisebestimmungen Norwegens. Und tatsächlich, hier an der Grenze, werden wir zum ersten Mal seit Pandemiebeginn angehalten…
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